Wir, die begeisterten Flieger*innen vom Kandel freuen uns sehr im Jahr 2025 unser 50-jähriges Bestehen begehen zu können. Aus diesem Grunde wollen wir über das Jubiläumsjahr verteilt, einige Events für Begeisterte des Flugsportes anbieten.

In Jeans und Turnschuhen:
So war Drachenfliegen vor 50 Jahren


Der Drachen- und Gleitschirmfliegerclub Südschwarzwald wird 50. Die DGFC-Piloten haben nicht nur an ihrem Hausberg Kandel einiges erlebt und überlebt. Ein Gründungsmitglied wurde sogar beschossen.

Die Badische Zeitung berichtete am 12. April 2025 über die Anfangstage des DGFC-Südschwarzwald mit einem Interview der Veteranen aus den Anfangstagen des Vereins. Lesen Sie hier den Beitrag:

Der Drachen- und Gleitschirmfliegerclub Südschwarzwald
DGFC Südschwarzwald

Manfred Kranz fliegt über das Kandelplateau – das Foto entstand in den 80er-Jahren mit Selbstauslöser.

Foto: © Manfred Kranz

Manfred Kranz fliegt über das Kandelplateau - das Foto entstand in den 80er-Jahren mit Selbstauslöser. Foto: © Manfred Kranz

Die Badische Zeitung berichtete über die Anfangstage des DGFC-Südschwarzwald mit einem Interview der Veteranen aus den Anfangstagen des Vereins


Die Adler sind gelandet

Autor: Patrik Müller, Badische Zeitung vom 12. Apr 2025, Waldkirch

Veteranen unter sich: Manfred Kranz, Klaus Kienzle, Dirk Kammerer, Franz Karig. |
Foto: © Patrik Müller

Sie haben Glück gehabt, alle miteinander.
Sie haben sich blaue Flecken geholt, die Knochen geprellt oder die Knie aufgeschürft, wenn die Landung mal etwas härter war, einer hat sich auch mal richtig schwer verletzt. Aber sie leben noch. „In meiner Zeit als Vorstand“, erzählt Franz Karig, „erinnere ich mich an drei tödliche Unfälle am Kandel. In zwei Fällen war es mit Sicherheit ein Pilotenfehler und einmal war es ein Materialfehler – etwas ist gerissen oder gekracht.“

Der Sport hat sich über die Jahrzehnte stark geändert

Karig sitzt mit drei anderen älteren Männern in einer Waldkircher Wirtschaft und guckt sich Fotoalben an. Es ist ein Veteranentreffen, das hier stattfindet: Dirk Kammerer und Manfred Kranz sind dabei am 10. April 1975, als sich im Freiburger Löwenkeller der Drachenfliegerclub Freiburg e.V. gründet. Franz Karig leitet den Verein von 1983 bis 1992. Und Klaus Kienzle, mit 67 Jahren der Jüngste am Tisch, geht als Einziger immer noch in die Luft – als ältester aktiver Drachenflieger im Verein, der mittlerweile Drachen- und Gleitschirmfliegerclub Südschwarzwald heißt.

Der Sport hat sich stark verändert, seit der US-Amerikaner Mike Harker im April 1973 mit seinem Hängegleiter von der Zugspitze startet und damit einen kleinen Boom auslöst: Die Fluggeräte sind noch lange nicht ausgereift damals. Lange Flüge sind nicht drin, die Piloten freuen sich über jede Sekunde in der Luft. Die Geräte sind auch noch nicht sicher. Immer wieder stürzen Gleiter mit flatternden Segeln in die Tiefe, wenn sie in Turbulenzen geraten, kluge Konstrukteure lösen das Flattersturz-Problem schließlich.

Das Regierungspräsdium befürchtet Schlimmstes

„Ja, vielleicht haben wir Glück gehabt“, sagt Manfred Kranz. „Oder wir waren vorsichtiger“, ergänzt Dirk Kammerer. Ohne diese beiden Männer hätte sich der Verein völlig anders entwickelt. Die Beamten im Regierungspräsidium sind argwöhnisch, als sich in den 70er-Jahren die ersten Wagemutigen mit Hängegleitern in die Tiefe stürzen. Sie befürchten Chaos, Unfälle, Tote.

Kranz und Kammerer schaffen es, den Sport in Südbaden seriös zu machen: Sie laden zum Flugtag an den Belchen, gewinnen Bundespräsidenten-Ehefrau Mildred Scheel als Schirmherrin und verlangen sogar Eintritt – der Erlös geht an die Kinderkrebshilfe. „Wir wollten eine Veranstaltung organisieren, bei der das Regierungspräsidium einfach nicht Nein sagen kann“, erzählt Kammerer, der Polizist war und weiß, wie Behörden ticken.

Landwirt schießt auf Kranz

Kammerer und Kranz, der Vorsitzende und sein Schriftführer, sind auch dabei, als ein Landwirt im Münstertal im Jahr 1977 zur Waffe greift, weil er nicht will, dass die Piloten immer auf der Wiese landen, die er gepachtet hat. „Einödbauer schoss Drachenflieger ab!“, jubelt die Bild-Zeitung. Im Text ist von „sechs roten, gelben und grünen Raketen aus der Leuchtpistole“ die Rede, vor Gericht kommen dann noch ein Schnellfeuergewehr und ein Karabiner zur Sprache.

„Es war das einzige Mal im Leben, dass ich einen Blackout hatte“, sagt Kranz heute. „Ich weiß noch, dass ich das glänzende Dach vom Bauernhaus gesehen habe. Dann war ich weg. Ich erinnere mich erst wieder daran, dass ich am Boden lag und aufgewacht bin.“ Er verletzt sich schwer, der Bauer wird später verurteilt. Kammerer sieht aus der Luft zu, wie sein Freund abstürzt, er landet so schnell wie möglich.



„Des isch e schöne Sport und mocht kein Krach!“
Xaver Bayer, Landwirt

So richtig glücklich sind die Drachenflieger am Belchen sowieso nicht: Das Regierungspräsidium macht ihnen Probleme, der Weg ist zu weit. Sie nehmen den Kandel ins Visier. Der liegt sowieso näher an Freiburg und hat einen Parkplatz oben auf dem Gipfel. Hier finden sie auch einen Landwirt, der sie nicht beschießt, sondern ihnen gerne seine Wiese im Heimeck zum Landen zur Verfügung stellt. „Ja, wurum nit? Des isch e schöne Sport und mocht kein Krach!“, soll Xaver Bayer damals gesagt haben.

Nach langen Diskussionen entsteht auf dem Berg schließlich die Startrampe neben dem Kandelhotel. Auch hier ist es wieder der Gründungsvorsitzende Kammerer, der die Behörden davon überzeugen muss, dass der Verein kein Chaosverein ist, in dem jeder macht, was er will. „Es gab immer wieder wilde Jungs, die gesagt haben: Scheiß‘ auf die Regeln“, erzählt Franz Karig, der den Verein in den 80er-Jahren dann übernimmt. „Der Vorstand hat die immer wieder in den Senkel stellen müssen. Das hat aber gut funktioniert.“

Drei der vier Männer am Tisch fliegen schon seit Jahren nicht mehr. Kammerer, der Polizist, wird versetzt und hat keinen Berg mehr vor der Haustür. Karig zieht aus Kollnau weg und sieht den Kandel nicht mehr täglich. Und Manfred Kranz, der vom Bauern abgeschossen wurde, baut Anfang der 80er-Jahre ein Haus für seine Familie. „Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass Drachenfliegen ein relativ ungefährlicher Sport ist, wenn man es richtig macht“, sagt er. „Aber ich wollte das geringe Risiko noch geringer machen.“

Von ihren großen Abenteuern erzählen die Männer aber immer noch gerne. Von einer Landung zwischen zwei Lastwagen auf einem Parkplatz auf Elba, von einem kontrollierten Absturz in Südfrankreich, von einem langen Gleiten in zwei bis drei Metern Höhe bei Kirchzarten. „Das war ein intensives Erlebnis“, erzählt Manfred Kranz, „und viel schöner als ein Flug in 1000 Metern Höhe.“

Die Gleitschirmflieger laufen den Drachenfliegern den Rang ab

Klaus Kienzle fliegt immer noch. Und guckt seit Jahren zu, wie die Zahl der Drachenflieger immer weiter sinkt und wie Gleitschirmfliegen immer populärer wird – weil es schneller zu lernen ist, wie er sagt, und weil so ein Schirm in einen großen Rucksack passt und nicht erst aufwändig aufgebaut werden muss. Auch er fliegt mittlerweile manchmal mit dem Gleitschirm.

Seine Lieblingswitze erzählt er aber trotzdem noch gerne. „Am Gleitschirmfliegen ist alles besser – außer das Fliegen!“ Und: „Haben Sie mal einen Adler im Sitzen fliegen gesehen?“


DGFC Südschwarzwald hat sich verändert

„Es gibt Berichte von ersten Gleitschirmflügen (Paragliding), die allerdings im Vergleich mit damaligen Drachen noch sehr schlechte Gleitleistungen hatten“, heißt es in der Chronik des Drachen- und Gleitschirmfliegerclubs Südschwarzwald – das war 1986. Mittlerweile sind am Kandel auch an guten Flugtagen deutlich weniger Drachen als Gleitschirme zu sehen, von rund 500 Vereinsmitgliedern nutzen nur noch knapp 40 den Drachen. Der Verein hat sich auch sonst verändert und mit Melanie Wehrle sogar eine Vorsitzende. „Frauen sind eigentlich von Anfang an dabei – nur geflogen sind sie nicht“, erzählt Gründungsmitglied Manfred Kranz. Der Verein will sich anlässlich seines 50-Jahre-Jubiläums unter anderem beim Waldkircher Stadtfest Ende Juni präsentieren – und am 30. Juni zum „Tag der offenen Tür“ bei der Startrampe am Kandel laden.


 Quelle Badische Zeitung, Urheber Patrik Müller  Erscheinungsdatums 12.April 2025

Nach langen Diskussionen entsteht auf dem Kandel eine Startrampe. | Foto: Manfred Kranz



Drachen- und Gleitschirmfliegen in Deutschland

Deutschlandweit betreiben heute etwa 43.000 Flieger und Fliegerinnen den Gleitschirmsport. Etwa 30% sind Pilotinnen, auch hier: Tendenz steigend.
Organisiert und vertreten wird die Sportart in Deutschland vom Deutschen Hängegleiter Verein (DHV). Gut 39.000 Flieger sind in dem Verband organisiert. Dem Verband ist vom Bundesverkehrsministerium die Regelung des Hängegleitersports als Aufgabe übertragen worden. Er definiert Ausbildungsregeln für Piloten, definiert zusammen mit europäischen Gremien Richtlinien der Gerätezulassung und unterstützt die lokalen Vereine bei der Zulassung und dem Betrieb der Fluggelände.